An die Ärsche.

Sieben quer- & kreuzgedachte Hirten- & Wirtenbriefchoräle (UA)

(In Memoriam Elfriede Gerstl, 1932-2009)

Es musiziert die Capella Con Durezza:

Anna Hauf: Mezzosopran
Cornelia Pesendorfer: Oboe
Max Mayerhofer: Guitarre
Martin Ptak: Posaune
Renald Deppe: Klarinette, Saxophon, Moderation
Ali Angerer: Tuba
Clemens Adlassnigg: Schlagzeug

Choral № I : an die ärsche

was immer du verkaufen willst
genier dich nicht
garniers mit frauenfleisch
auto mit frau
haus mit frau
strümpfe mit frau
zeitschrift mit titeltitten
mit frauenspeck fängt man mäuseriche
und die mäusinnen
vergleichen
finden sich häßlich
sind eingeschüchtert

also genier dich nicht
zeig mit deinem arsch
was für ein arsch du bist
du bist unter deinesgleichen

Elfriede Gerstl

Choral № II : * (Hirtenbrief)
Choral № III : * (Hirtenbrief)

Choral № IV : vögelfrei (eine spruchsammlung)

nur ein viertelstündchen vögeln
stetes vögeln höhlt den stein
doppelt gevögelt hält besser
wer schnell vögelt vögelt doppelt
wenn zwei vögeln freut sich ein dritter
er kann nicht bis drei vögeln
von zeit zu zeit seh ich den alten gern vögeln
blindes vögeln schadet nur
vögeln ist die erste bürgerpflicht
wer andern eine grube vögelt fällt selbst hinein
vom vögeln in den mund leben
wenn es dem esel zu wohl ist geht er aufs eis vögeln
einem geschenkten gaul vögelt man nicht ins maul

Elfriede Gerstl

Choral № V : * (Hirtenbrief)
Choral № VI : * (Hirtenbrief)

Choral № VII : mechtild macht möchten
&
Zölibatsblues : pater sebastian möchte machen
mechtild macht möchten mechtild möchte machen möchte mechtild möchte mechtild machen mechtild macht mechtild möchte mechtild macht möchten mechtild macht mögen männer mögen mechtild mechtild macht männer mechtild macht macht mechtild macht macht mögen mechtild macht ohne macht macht mechtild ohne mechtild ohne macht mechtild ohnmächtig ohne mechtild ohnmächtig mächtig ohnmächtig männer mögen mechtild ohne mechtild ohne männer mechtild ohne männer mögen mögen männer ohne mechtild männer mögen möchten männer möchten männer machen mechtild möchten mechtild macht männer mechtild macht möchten Elfriede Gerstl

pater sebastian möchte machen
pater sebastian macht möchten
möchte pater sebastian möchte pater sebatian machen
pater sebastian macht pater sebastian möchte pater sebastian macht möchten pater sebastian macht mögen frauen mögen pater sebastian pater sebastian macht männer pater sebastian macht macht pater sebastian macht macht mögen pater sebastian macht ohne macht macht pater sebastian ohne
pater sebastian ohne macht pater sebastian ohnmächtig pater sebastian ohnmächtig mächtig ohnmächtig frauen mögen pater sebastian ohne
pater sesbatian ohne männer pater sebastian ohne männer mögen mögen männer ohne pater sebastian männer mögen möchten männer möchten männer machen pater sebastian möchten
pater sebastian macht männer pater sebastian macht möchten

Renald Deppe

Zugabe:

Zisch- & Tischlitanei : keimzellengeflüster

vater bild
vater land
vater mörder
mutter natur
mutter mal
mutter mund
mutter kuchen
mahlzeit

Elfriede Gerstl
(Preis der Stadt Wien, 1990 ° Georg Trakl Preis, 1999 ° Erich Fried Preis, 1999 ° Österreichischer Staatspreis, 2001 ° Ben Witter Preis, 2004 ° Heimrad Bäcker Preis, 2007 ° Ehrenerwähnung: Premio Roma, 2009, postum)

" Es muss alles gemacht werden, das ist Arbeit, und Gerstls Gedichte zeigen zwar nicht, wie sie gemacht worden sind, aber man weiß, dass es einen Herstellungsprozess gegeben hat, weil sie ihn zeigen die Gedichte diesen Prozess, ihn zeigen als etwas, das es gegeben haben muss, sonst wäre nichts vorhanden, und die Wörter der Sprache entsprechen den jeweiligen Handgriffen. Ich habe solche Angst, dass es jetzt eine Hand weniger gibt, die sie auswählt, die Wörter. Und irgendwo hinstellt.
Danke vielmals für alles, sagt Gerd Jonke nach dem Tod seines Kindes, das als Säugling gestorben ist. Danke an ein Wesen, das noch kaum Bewusstsein von sich hatte. Danke von mir an ein Wesen, das alles Bewusstsein der Welt hatte, weil es Worte aneinandergereiht hat, als eine Arbeit wie jede Arbeit. "

Elfriede Jelinek, Freigeist.

Postludium: Quer- & kreuzgedachte Hirtenbriefergänzung: »Missbrauchsdebatte: Der Unsinn von der Selbst-Entschuldigung Ein Zwischenruf unseres Redaktionsleiters P. Bernd Hagenkord

In der Debatte um die Missbräuche von Kindern und Jugendlichen taucht immer wieder eine störende Formulierung auf: ?Ich entschuldige mich?. Um es ganz klar zu sagen: Das geht nicht, ich kann mich nicht entschuldigen, ich kann höchstens um Entschuldigung bitten. Das klingt zunächst spießig und kleinkrämerisch und ist vielleicht auch nicht das wichtigste Thema in dieser Debatte, aber es zeigt etwas auf. ?Ich entschuldige mich?, das heißt: Nach meiner Entschuldigung bin ich die Schuld los. Andere sind an diesem Schuld-Loswerden gar nicht beteiligt. Theologisch ist das natürlich Unsinn. Dagegen: Um Entschuldigung bitten lässt die Handlung bei dem, der Opfer der Schuld war. Wenn ich mich selbst entschuldige, dann nehme ich dem Opfer - in diesem Fall vom Missbrauch - die Möglichkeit, Teil des Prozesses zu werden, zu vergeben, oder eben auch nicht. Und noch etwas anderes: Die Selbst-Entschuldigung zeigt, dass sie ein Teil eines Medienrituals geworden ist. Wie es ein Vertreter einer Ordensgemeinschaft neulich in einem Pressestatement ausgedrückt hat: Er wisse nichts von Fällen von Missbrauch in seiner Gemeinschaft, aber sollte es sie doch gegeben haben, so entschuldige er sich schon einmal im voraus. Das ist ein Satz, der völlig frei ist von der Einbeziehung von Opfern und der nur noch in der bunten Medienwelt stattfindet. Wenn wir in der Debatte etwas gelernt haben sollten, dann doch das, dass die Opfer nicht schon wieder nicht gehört werden sollten. Achten wir doch bitte etwas mehr auf unsere Sprache. Wie gesagt, das alles mag etwas kleinkariert klingen. Aber wie es mein erster Theologieprofessor ausgedrückt hat: ?Der Teufel liegt im Detail. Gott auch?.«

Radio Vatikan, 18.03.2010

Freigeistige Liebesbotschaft

Capella con Durezza
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