Dienstag, 27. Juli - Kulturwanderung an der Grenze

Treffpunkt: 10.00 Uhr Klosterparkplatz St. Johann Müstair
Wanderroute: Kloster Müstair , Wanderung ins Avingatal bis zur Mangitzeralm und über "Umwegen" zurück. "Höhepunkte": ?Avingawiesen?, die am höchsten gelegenen Wiesen der Tauferer Bauern; Teufelsstein; Mangitzeralm mit Butter- und Käseverarbeitung, Rückkehr auf das Hoffest im Klosterhof St. Johann.
Gehzeit: rund 3,5 Std., 600m Höhenunterschied (1238m Müstair ? 1829m Mangitzalm)
Wichtig: Grenzübertritt, Personalausweis mitnehmen!
Ausstattung: feste Schuhe, wetterfeste Kleidung, Verpflegung aus dem Rucksack, gute Grundkondition

Grenzen. Streiten. Streiten lassen?

Wir sind es gewohnt, in Grenzen zu denken. Administrative, politische und viele andere Grenzen wurden uns anerzogen. Landkarten können wir nur lesen, wenn fein säuberlich Länder- und Bundesländergrenzen eingezeichnet sind. Klar festlegbare Grenzen sind uns oft lieber als diffuse, weil wir sonst darüber diskutieren müssten (um nicht ?streiten? zu sagen), wo z.B. Pannonien endet. In Belgrad, am Eisernen Tor oder ? andere Richtung ? nördlich von Wien? Und eine klare Funktion sollte eine Grenze haben, weil das ja so etwas wie ein Schlüssel zum Verständnis für das Land dahinter ist.

Innerhalb einer Generation ändern sich Verlauf oder Bedeutung einer Grenze kaum. Es sei denn, der Mensch lebt im späten 20. und beginnenden 21. Jahrhundert. In dieser Zeit haben es kartographische Verlage leicht, mit immer wieder neuen Ausgaben der Landkarten Europas Umsatz zu machen. Innerdeutsche Grenze: weg. Balkan: viele neue Grenzen (manche mit Jahrhunderte alten Vorgängern). Der Zerfallprozess Jugoslawiens beschert uns noch im 21. Jahrhundert neue Staaten, Montenegro zuerst, dann Kosovo. Zu den neuen Grenzen kommen neue Funktionen, teils mit seltsamen Bezeichnungen wie ?Schengen-Grenze? oder ?Euro-Zone?. Ob das alles dazu beiträgt, Europa mehr als bisher als Einheit zu sehen, sei dahingestellt.

Dass Grenzstreitigkeiten in der Vergangenheit meist die Hauptauslöser für Kriege waren, ist nicht wegzudiskutieren. Territoriale Ansprüche sind eben nur selten verhandelbar. Der heutige Streit, gottseidank ausgetragen innerhalb der internationalen Staatengemeinschaft, begründet sich längst auf anderen Ansprüchen: Es geht um die Vorkommen und die Verteilung natürlicher Ressourcen. Afghanistan als Kreuzungspunkt für Öl- und Gaspipelines, der Iran als größtes Erdgasfördergebiet. Es wird also nicht um Grenzen gestritten.

Stattdessen streitet man sich innerhalb eines Landes entlang weniger sichtbarer, aber umso schärfer gezogener Grenzen ? zwischen den Sektoren innerhalb der Wirtschaft, und erst recht zwischen angeblich grundsätzlich verfeindeten Lagern wie Naturschutz auf der einen und Landwirtschaft auf der anderen Seite. Landwirtschaft ist bei Bedarf zu ersetzen durch Tourismus, Jagd, Verkehrsplanung. Was den Naturschutz betrifft fällt dabei das militärische Wording auf, das zurückgeht auf die Zeiten der ersten Kampagnen der NGOs in den 1980er Jahren: Von ?verteidigen? ist oft die Rede, gegen ?Zerstörung?, es geht also ums gemeinsame ?kämpfen? im ?Krieg gegen die Natur?. Wenn etwas dem Naturschutz in den vergangenen Jahrzehnten wirklich nachhaltig geschadet hat, so war es die selbstgewählte und endlos neu inszenierte Ausgrenzung ? hier die wenigen Guten, dort die vielen übermächtigen Bösen, alles schön festgelegt in Klischees. Dass die Welt nicht schwarz-weiß, sondern sehr bunt ist, wird sich eines Tages auch in der Naturschutzszene herumsprechen.

Die Wirkung von Grenzen variiert mit der Distanz zur Grenzlinie. An der Grenze selbst wird diese anders wahrgenommen als dort, wo der Grenzverlauf einst gezeichnet wurde und wo im Regelfall die damit befassten Regierungsstellen ihren Sitz haben. Wenn?s sein muss, lässt man deshalb die Menschen an der Grenze streiten um auf der Staatsebene den gewünschten Hintergrund für den Interessensabgleich auf anderer Ebene zu haben. Am Grünen Band Europa etwa gibt es mehrere Abschnitte, wo das Neben- und Miteinander an der Grenze, besser über die Grenze hinweg, ein harmonisches ist ? ganz im Gegensatz zu den offiziellen zwischenstaatlichen Befindlichkeiten. Für viele Menschen in Grenzregionen ist es deshalb schwer nachvollziehbar, wenn die staatlichen Medien von ihrem schweren Los berichten, für das angeblich der böse Nachbar verantwortlich ist.

Grenzen (und damit der Steit über die Grenze / an der Grenze) haben eine begrenzte Lebensdauer. Bei allen Problemen der Randlage ist es deshalb auch ein Vorteil, wenn Grenzregionen sich öfter als Zentren neu definieren können, ob auf der Basis des gemeinsamen Naturerbes wie am Grünen Band Europa oder in Rückbesinnung auf das Kulturerbe, das besonders in ländlichen Gebieten dauerhafter verankert bleibt. Für das streiten lassen fehlt also immer öfter der lokale Platzhalter, und das ist gut so.

Alois Lang

Geb. 30.12.1956 in Illmitz, Burgenland.
Verheiratet, 2 Kinder (1983, 1987). Lebt in Illmitz.
Abteilungsleiter für Öffentlichkeitsarbeit und Ökotourismus, Nationalpark Neusiedler See - Seewinkel
(www.nationalpark-neusiedlersee-seewinkel.at).
1976 ? 1979 Studium der Technischen Physik, TU Wien.
1979 ? 1988 GF Tourismusverband Illmitz; Naturtourismus-Entwicklung auf Ortsebene, Aufbau einer regionalen Marketinggemeinschaft.
1986 ? 1989 Vorstandsmitglied Burgenland Tourismus.
1989 ? 1993 Tourismus-Regionalmanager für die Region Neusiedler See; zuständig für die Naturtourismusentwicklung im Burgenland;
involviert in den Planungsprozess für den grenzüberschreitenden Nationalpark Neusiedler See - Seewinkel / Fertö - Hanság (1988-1992).
1993 ? 2005 Abteilungsleiter für Öffentlichkeitsarbeit und Ökotourismus im Nationalpark Neusiedler See - Seewinkel; Konzeption und ab Eröffnung 1996 Leitung des Nationalpark-Informationszentrums in Illmitz; Entwicklung der Basiselemente
für die Besucherlenkung; Aufbau des Besucherprogramms;
Herausgabe der Nationalparkzeitung ?Geschnatter? (vierteljährlich).
Zusammenarbeit mit lokalen und regionalen Tourismusverbänden;
Vertreter des Nationalparks in regionalen und grenzüberschreitenden Arbeitsgruppen (z.B. Verkehr in sensiblen Gebieten, Managementplan für das Weltkulturerbe Neusiedler See / Fertö Tó).
Mitarbeit an mehreren Ökotourismusprojekten in Österreich, Rumänien und Ungarn.
2005 ? 2008 Koordination der Initiative European Green Belt (www.europeangreenbelt.org) für IUCN Europa (www.iucn.org) mit
Arbeitsplatz in Belgrad und Sarród.
Juli 2008 ? Rückkehr zum Nationalpark Neusiedler See - Seewinkel;
Konzeption des neu zu errichtenden Ökopädagogikzentrums

Dienstag, 27. Juli - Kulturwanderung mit Alois Lang

Alois Lang
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